• Kreuzer 04.16:

    Schlächter unter sich

    In »Paradies Europa« streiten Despoten-Puppen um die Zukunft der Gegenwart

    Vergesst die Hure Babylon. Europa macht’s mit jedem! Ob sie mit dem letzten Zar Russlands anbändelt oder lieber zwischen Hitler und Menschenfresser als Liebhaber wählt, wird sich an diesem Abend entscheiden. Fest steht: Hauptsache Macht.

    Mit »Paradies Europa« gibt Alexej Vancl vom Puppentheater Figuro eine politische Farce, in der seine Figuren in einer Kneipe ebendieses Namens einkehren. Mit lebensgroßen Puppen — höchst skurrile Pappmaché-Köpfe auf rollbaren Gliederkörpern — zeigt er das Umwerben der Europa durch die drei Despoten. Dass es dabei durchaus deftig zur Sache geht, Minderheitenhetze inklusive, liegt in der Natur der Sache. Immerhin sind hier Schlächter unter sich.

    Mit feiner Hand führt Vancl seine Puppen in groben Streitgesprächen, beim Ränkeschmieden und ruppigen Antanzen. Er versteht sein Handwerk gut, meistert als Solist sein nicht ohne Aufwand zu bespielendes Ensemble. Und baut auch mal ein witziges Handpuppenintermezzo ein, in dem Hitler als »traditioneller Kasperlspieler« (Adolf-O-Ton) auftreten darf: »Tri tra trrrrrullala!« In der bösartigen Überspitzung liegt das Pfund dieser Produktion. Vancl arbeitet sich künstlerisch an der Gegenwart ab, deren brutalstmöglichen Zieleinlauf er als Teufel an die Wand malt. Man spürt seine Wut über die Verhältnisse. Der Spieler hält sich aber im Zaum und verfällt eben nicht in politische Imperative. Lieber entlarvt er den Puppenspieler am Ende selbst und das Publikum muss bangen: Das Theater der Politik geht weiter.

    Tobias Prüwer (mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)