• LVZ 10./11.08.2013:

    Die Puppen gewinnen

    Kontrastreiche Märchen-Kooperation von Knalltheater und FIGURO auf dem Feinkost-Hof

    Nachdem das Knalltheater vergangenes Jahr mit der Jongliertruppe Iskra den »Glöckner von Notre-Dame« auf die Feinkost-Bretter gebracht hat, lässt Knall-Leiter Larsen Sechert in diesem Jahr zusammen mit dem Theater Figuro die Puppen tanzen: zur Märchenmelodie von »Die Schöne und das Biest«. Untertitel: »ein Making Of« — und so beginnt denn das Stück auch nicht mit einer Puppenperformance sondern einem gediegenem Tanz um die Bühne von Secherts Mitspielerin Anne Rab und Puppenspieler Alexej.

    Dahinein quäkt Sechert mit Megafon irgendwas von Märchen, und schon bald stehen alle drei mit Wischmopps auf dem Kopf auf der Bühne. Eine große braune Unhold-Puppe, offenbar das Biest, gesellt sich dazu, und auch eine zweihändige Damen-Puppe, gestiftet von der Papierfee, hat ihren ersten Auftritt. Gegeben wird ein wilder Mix aus improvisierten Spielszenen, Papp-Spaghetti, Proben-Veralberungen und der Intonierung von Garten-Atmosphäre, bestehend aus Vögeln und Schnecken, durch die Zuschauer. Das ist zwar ganz spaßig und wie immer herrlich grotesk, wenn etwa passend zur Hauptrolle ein verballhorntes »Bella Ciao« angestimmt wird, hat aber zunächst kein wahrnehmbares Konzept. So stellt denn Sechert auch fest: »Was machen wir da? Wir wissen's auch nicht.« Man glaubt es ihm leider aufs Wort. Schade zunächst.

    Immerhin in der zweiten Hälfte der gut einstündigen Aufführung bekommen sie es wieder zusammen und erzählen in schönen, klaren Bildern die Geschichte der schönen Tochter, die, um eine Strafe des Vaters abzulösen, beim Biest dauerhaft einziehen muss. Jetzt kommen die Puppen vollends zum Zuge, und vor allem Rab als schöne Bella und Alexej als Biest verzaubern. Die braune Biest-Puppe aus derben Sackstoff mit ebensolcher Tatze und blinkenden Augen ist ein wahrlich melancholisches Geschöpf, während die eigentlich nur aus einem Kopfe und viel Tüll bestehende Bella mit »Unschuld vom Lande« noch zu obszön beschrieben ist.

    »Ach, liebes Biest«, säuselt sie, »Obwohl ich dich sehr gerne habe, kann ich jemanden wie dich nicht heiraten.« Es ist herzerweichend. Dazwischen springt Sechert als greiser Vater und Gartenrequisit herum. Der Teil gelingt, und auch der ungeordnete Anfang erhält hier tatsächlich nachträglich einen Sinn, denn viele der zunächst albernen Bilder tauchen in Poesie verwandelt wieder auf. Und das Publikum gibt dazu den Zaubergarten voller Tirilieren und Schmatzen. Am Ende wird das Ganze sogar noch mit einer wunderbaren Schleife verpackt.

    Ein kontrastreicher Abend, ja ein Kampf der Ästhetiken, den das Puppentheater gegen die Knallnasen nach Punkten gewinnt. Vom Premierenpublikum gab es am Ende zurecht satten Applaus.

    Torben Ibs (mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)